Der georgische Wein

Wenn Sie echte Weine kennen lernen möchten, dann besuchen Sie Georgien, die Heimat des Weins. Nur hier werden Sie verstehen, wofür der Wein einst geschaffen war!

Luca Gargano, italienischer Weingroßhändler, CEO des Weinvertriebs Velier

Wein und Georgien, das sind zwei Worte, die untrennbar miteinander verbunden sind. Wer Georgien kennenlernen will, muss den Georgischen Tisch und die georgischen Trinksprüche erleben. Wer den Wein liebt und verstehen will, der kommt um Georgien nicht herum.

Georgische Weine sind zunehmend auch auf dem europäischen Markt vertreten und inzwischen in fast jedem gehobenen Restaurant zu finden.

Wer echten georgischen Wein trinken will, der sollte Georgien auf einer Weinreise besuchen, wo bis heute fast alle Bauern ihren eigenen Wein anbauen, aus uralten Traubensorten, und in tönernen Amphoren nach traditioneller Georgischer Methode keltern.

Georgien, die Wiege des Weins

Ich kenne kein Land, in dem so viel guter Wein getrunken wird.

Jean Chardin, französischer Forschungsreisender

Georgien gilt als Ursprungsland des Weinanbaus mit eigenständigem Charakter, autochthonen Rebsorten und einer Tradition, die über 8.000 Jahre zurückreicht. Von 10.000 Rebsorten weltweit, stammen 525 aus Georgien, 62 davon sind für den Weinanbau zugelassen.

Die internationale Weinmesse "LIWF", die seit 1999 jährlich in London stattfindet, beginnt traditionell mit dem georgischen Stand, unter dem Titel: "Wiege des Weins"."Die ältesten Samen kultivierter Weinreben wurden in Georgien gefunden und auf 6.000 vor Christus datiert" schreibt Rod Phillips in "a short History of Wine" (2001, London).

Archäologen entdeckten Werkzeuge zur Weingewinnung aus dem 3. vorchristlichen Jahrtausend und Weinkrüge mit über 4.000 Jahre alten Traubenkernen der noch heute in Georgien angebauten Rebsorte Rkatsiteli.

Gold und Silbergefäße aus dem 2. und 3. Jahrtausend v. Chr. bezeugen durch ihre Verzierungen mit Trauben und Weinblättern die besondere Bedeutung, die der Wein seit Alters her für die Georgier hat.

Auf einer Keilschrifttafel aus dem 9. Jh. v. Chr. über Ruhm und Macht des assyrischen Reiches, findet sich die Anmerkung, dass, während alle unterworfenen Völker ihre Abgaben in Gold zu zahlen hatten, mit den Georgiern der Tribut in Wein vereinbart war.

Auf der Suche nach dem Goldene Vlies der griechischen Argonautensage aus dem 3. Jh. v. Chr. sah Jason die kolchische Hauptstadt "von Reben umrankt", und in ihrer Mitte einen wundersamen Brunnen, aus welchem Wasser, Honig, Milch und Wein in Strömen floss.

In der Antike war die georgische Fertigkeit der Weinherstellung allgemein bekannt. Zahlreiche historische Schriften nennen ausdrücklich das Gebiet von Georgien, als Land der ersten bekannten kultivierten Rebsorten.

Von Georgien aus verbreitete sich der Wein und die traditionelle Methode seiner Reifung in tönernen Amphoren weiter über Mesopotamien, Ägypten und Griechenland. Etymologisch leitet sich selbst das Wort Wein bzw. Vino aus der altgeorgischen Bezeichnung "Ghvino" ab.

Verbreitung der Weinbau-Kultur im Mittelmeerraum

6000 v. Chr. Kaukasus, heutiges Georgien, Armenien, Aserbaidschan
6000 v. Chr. Syrien
4000 v. Chr. Naher Osten, Teile Mesopotamiens
4000 v. Chr. Reich der Sumer, Achovien (südwestliches Georgien)
3000 v. Chr. Phönizien (heute Libanon, Syrien), Ausdehnung Naher Osten
2800 v. Chr. Ägypten
2500 v. Chr. Mesopotamien (heute Türkei, Syrien, Irak
1600 v. Chr. Griechenland, Kreta
1000 v. Chr. Palästina, Italien, Nordafrika
600 v. Chr. Persien (heute Iran)
500 v. Chr. Südfrankreich, Spanien, Portugal
400-100 v. Chr. Balkan, Nordfrankreich, Südengland, Deutschland (Rheintal)

Verbreitung in anderen Ländern der Welt

140 v. Chr. China
100 v. Chr. Nordindien
1520 Mexiko, Japan
1580 Argentien, Peru
1655 Kap der Guten Hoffnung
1770 Kalifornien
1813 Süd- und Westaustralien, Neuseeland

Georgische Methode der Weinverarbeitung

Georgien ist das einzige Land der Welt, in dem Weinherstellungsmethoden, die vor bis zu 8.000 Jahren entwickelt wurden, nicht nur nie aufgegeben wurden, sondern in vielerlei Hinsicht immer noch die beste Verfahrensweise darstellen.

Andrew Jefford, Financial Times

Weinkultur und die Geheimnisse des Weinkelterns sind in Georgien durch Jahrtausende hindurch praktiziert und erhalten worden und folgen einem speziellen, dem "Georgischen" Verfahren. Es gibt weltweit nur drei Verfahren der Weinherstellung: die Europäische, die Jüdische und Georgische. Seit 2013 zählt die Georgische Methode zum UNESCO Weltkulturerbe.

Georgische Weinamphoren Kwewri (engl. Qvevri)

Von Anfang an haben die Menschen Rebsorten mit feinem Duft selektiert. Wesentliche Aufgabe und Qualitätsmerkmal der Kwewris im Gegensatz zur Holzfassgärung mit duftneutralem Ergebnis, war der Erhalt und die Entfaltung des sorteneigenen Aromas.

Die Amphoren wirken auf den Wein wie ein Verstärker in der Musik, die guten Töne werden noch besser, schlechte hingegen schlechter.

Josko Gravner, Winzer aus Friaul, Italien

Das Keltern der Trauben erfolgt in einer langen Wanne oft aus einem Baumstamm (Linde) oder einem monolithischen Stein aus Ton oder Kalk. Die Trauben werden mit Füßen gestampft oder mittels einer Walzmühle ausgepresst.

Der Saft wird zusammen mit der Maische in riesige Amphoren aus Ton geleitet, den so genannten "Kwewri". Im Gegensatz zu normalen Weinamphoren, die zur Aufbewahrung und zum Transport dienten, wurden Kwewris speziell für die Weinerzeugung und Lagerung entwickelt.

Weinreise Georgien Quevri
Neue Kwewri (entl. Qvevri, Quevri) zur Weinlagerung

Die georgischen Weinamphoren "Kwewri" sind in die Erde eingelassen und verfügen über ein Fassungsvermögen von 10 bis 100 Liter, in größeren Weingütern sogar bis zu 2.000 Liter. Nur der Hals ragt aus dem Boden.

Dies dient sowohl der Stabilisierung der dünnwandigen Tongefäße als auch dem Temperaturausgleich. Die Amphoren werden mit Holz oder Schieferstein abgedichtet und mit feuchtem Ton und Asche versiegelt. Die runde Form der Amphore bringt dabei die natürliche Gärhefe zum besseren Zirkulieren, und der porröse Ton sorgt für den nötigen Luftaustausch.

Die Anfertigung solcher Gefäße aus Ton, so dünn ausgearbeitet, dass man nicht begreift, wie sie nicht unter der Hand zusammenfallen, und zugleich so regelmäßig und so dauerhaft, möchte wohl für manchen geübten Töpfer Europas eine schwierige Aufgabe sein.

Friedrich Wilhelm Parrot, deutscher Naturforscher auf einer Forschungsreise in den Kaukasus 1815/1818

In den Kwewris kann der Wein bis zu 50 Jahre lang bleiben. Ein georgischer Weinkeller Marani besteht aus mehreren solcher Erdkrüge.

Funde der gewaltigen Gefäße reichen bis ins 5. vorchristliche Jahrtausend zurück. Man versiegelte sie mit kuppelförmigen Zapfen, um ein möglichst großes Spektrum kosmischer Energie einzufangen. Für einen Georgier ist der Weinkeller, der "Marani", ein heiliger Ort und das Herzstück des Hauses.

Als wir einen "Marani" genannten georgischen Weinkeller betraten, glaubten wir uns eher in einer Küche als in einem Keller. Maranis liegen ebenerdig. Ihr Boden ist übersät mit Öffnungen von aufrecht in der Erde vergrabenen Kwewris. Wir sahen einen Mann, der mit einer riesigen Kelle und langsamen Bewegungen die gärende Masse rührte. Andere Kwewris waren verschlossen. In ihnen lagerten frühere Weinjahrgänge. Die meisten waren offen und leer. Jungen Vögeln mit wulstigen Lippen gleich streckten sie ihre aufgesperrten Münder in die Welt, als würden sie auf Nahrung warten. Was sie ja taten. Auch wenn sie keine Tiere waren, muteten sie lebendig an, zumal Ton luftdurchlässig ist und Kwewris somit irgendwie atmeten.

Eva Dietrich, Schweizer Kunsthistorikerin, 2015

Sedasche, der heilige Kwewri

In jedem georgischen Weinkeller gibt es einen besonderen Kwewri, den sogenannten heiligen Kwewri, georg. "Sedasche".

Man findet vergrabene Kwewris auch mitten in der Natur. Als vor etwa 70 Jahren die Bewohner des Dorfes Dschimiti von den höher gelegenen Regionen näher zur zentralen Straße zogen, blieben die Sedasche zurück und markieren noch immer den Platz, wo die Häuser einst gestanden sind.

Auch um alte Kirchen herum und manchmal sogar im Innern der Kirche vor dem Altar findet sich ein Weinkrug in der Erde. Viele sind so groß, dass ein Erwachsener aufrecht darin stehen kann.

Georgische Amphoren gelten als die am besten erhaltenen Ton-Artefakte und belegen ein hohes handwerkliches und künstlerisches Niveau hinsichtlich ihrer Größe, Qualität und Formschönheit. Amphoren im Stil der Kwewri verbreiteten sich im gesamten Mittelmeerraum. Im Römischen Reich nannte man sie "Dolium", in Griechenland "Pithos" und in Spanien "Tinaja".

Ihre Herstellung war aufwendig und erforderte besondere Kenntnisse, der Transport war extrem schwierig und so wurden sie ab dem 1. Jh. v. Chr. nach und nach durch Holzfässer ersetzt. In Georgien jedoch hat man den Wein noch bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts ausschließlich in Kwewris hergestellt und bis heute lagern die Bauern ihren Wein traditionell auf diese Weise.

Wird in einer Familie ein Sohn geboren, füllt man einen neuen Kwewri mit jungem Wein. Viele Jahre später, wenn der herangewachsene Mann eine Frau gefunden hat, trinkt man diesen Wein zu seiner Hochzeit.

Religiöse Bedeutung des Weins

Wein spielt im religiösen Leben der Georgier eine besondere Rolle. Es ist die Verwandlung und Veredelung von Lebendigem in Unvergängliches. Der Weinstock steht durch seine saftreichsten Früchte parallel zur dynamischen Kraft des Blutes als Urbild des Lebens. In der Eucharistie erweckt der Wein wesenhaft verwandelt zum "Blut Christi" im Abendmahlempfänger die lebendig machende Kraft des auferstandenen Christus.

Das Auge ist in die Traube eingegangen.

Sprichwort georgischer Winzer zur Reifezeit

Ebenso verleiht der Wein den eigenen Worten besondere Kraft und Bedeutung, wenn sie an der Georgischen Tafel ausgesprochen werden.

... auch in Georgien meint Wein nicht irgendeinen roten Saft, wie die zahlreichen Weinranken und Lebensbäume aus Weinstöcken an georgischen Kirchen zeigen. Wein meint weder Landwein noch Bordeaux, sondern biblischen Wein, vom "wahren Weinstock", wie Jesus in der Bibel genannt wird. Für Georgier ist sonnenklar, dass Wein von materiellem wie spirituellem Wesen ist. In der Messe vereinigt er mit Gott, in Trinkgelagen verbrüdert er mit den Menschen. Wer Wein trinkt, ist in Christus und damit ewig, wie es in der Bibel steht.

Eva Dietrich, Schweizer Kunsthistorikerin

Die Heilige Nino, Ikone in der Dschwari Kirche © Katrin Tevdorashvili

Das traditionelle Kreuz der Georgisch-Orthodoxen Kirche stellt verbundene Weinreben dar und die Fassaden zahlreicher Kirchen und Klöster zieren üppige Weintraubenornamente, als Symbol des ewigen Lebens.

In der Klosterakademie von Ikalto wurde bereits im 12. Jahrhundert neben Theologie, Philosophie und Rhetorik, auch der Weinanbau und die Weinkultur gelehrt. Man hat dort sogar Reste von Keramikröhren entdeckt, die dazu dienten, den Wein mehrere Kilometer weit in die umliegenden Klöster zu pumpen.

Georgischer Wein als Lebenselixier

Weißwein aus Qvevris schwappt im Glas wie flüssiger Bernstein, Rotwein wie Tinte.

Fritz Habekuß, DIE ZEIT, 2017

Die Beliebtheit vor allem des Landweins erklärt sich durch seine Leichtigkeit und wohltuende Wirkung. Man sagt, der Georgische Wein hinterlasse keinen Kater. Und in der Tat trinken Georgier ihn in großen Mengen, bei besonderen Anlässen sogar aus Weinschalen und Trinkhörnern mit bis zu 3 Liter Fassungsvermögen.

Ich ziehe den georgischen Wein jedem Burgunder vor.

Alexander Puschkin, russischer Dichter

In der Akademie von Ikalto, eine der ersten Akademien der Welt und fortschrittlichste Lehranstalt ihrer Zeit, hatte jeder Schüler unter seinem Pult einen Krug mit Wein stehen, um bei Bedarf dem Denken Klarheit zu verschaffen.

Besondere Wertschätzung genießt die Saperavi-Rebe, deren Nährwert und hoher Tanningehalt maßgeblich zur Gesundheit der Kachetier beiträgt. Georgien ist das Land der meisten Hundertjährigen, Wein ist ihr Lebenselixier.

Der Wein ist ein Teil der georgischen Seele. Nicht nur der Genuss, vor allem der Prozess: die Arbeit, die Pflege, die Aufmerksamkeit. Nur ein Mensch mit gutem Charakter kann guten Wein machen, heißt es. Einer der wichtigsten Festtage in Georgien ist die traditionelle Weinlese im Herbst.

Wein Anbaugebiete in Georgien

Georgische Rebsorte Saperavi
Autochthone Rebsorte Saperawi (engl. Saperavi) © Katrin Tevdorashvili

Durch seine geschützte Lage südlich des Kaukasus verfügt Georgien über ideale geologische und klimatische Voraussetzungen für ein optimales Wachstum der Trauben.

Es werden vier verschiedene Weinbauregionen unterschieden: Kachetien im Osten, Kartlien in Zentralgeorgien, Imeretien im Westen und die Mikrozone Ratscha-Lechkhumi im Nordwesten des Landes.

Die größten Weingärten liegen im Sonnenland Kachetien, dem Zentrum des Weinanbaus. Hier ist jeder Bauer ein Winzer, und in jedem Haus befindet sich ein Weinkeller.

Hier wird der berühmte kachetische Landwein noch immer in tönerne Kwewri gefüllt, bis er nach einer ausgedehnten drei bis vier monatigen Maische-Lagerung seinen markanten, tanninreichen Charakter entfaltet.

Atenuri Wein von Nika Vacheishvili © Natia Berdzenishvili

In Ratscha, einer Bergregion in Westgeorgien, gedeihen eine Reihe von autochthonen Rebsorten auf kleinstem Raum, jeder Wein ist hier ein Unikat.

Die Bewohner sind bekannt für ihre Geduld und Geruhsamkeit. Ihre Rebsorten sind anspruchsvoll und benötigen aufwendige Pflege. Mäßige Niederschläge, Südlage und eine ausgedehnte Reifezeit erbringen Trauben mit hohem Zuckergehalt. Hier ist die Heimat des begehrten Chwantschkara.

Alle Regionen können individuell oder im Rahmen einer organisierten Weinreise besucht werden. Viele Winzer bieten Weinverkostung und Führungen durch die Produktonsstätten an.

Artikel auf Spiegel Online: Bisher ältester Hinweis auf Weinanbau entdeckt | Spiegel Online 14.11.2017

Ausführlicher Artikel über Kwewri Weine & Winzer in Europa: Die Reise zur Seele des Weins | ProWein Magazin 2018

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