Georgische Heerstraße - Tor zum Orient
Ich habe die Georgische Heerstraße erlebt. Das ist keine Straße, sondern Poesie, eine wunderbare, phantastische Erzählung!
Anton Tschechow, russischer Dichter
Die Georgische Heerstraße verläuft entlang eines Jahrtausende alten Karawanenewegs, der vom Norden des Großen Kaukasus in die Länder des Orients führte. Schon der römische Geograph Strabo erstellte eine detaillierte Beschreibung dieser Route im 1. Jh. v. Chr.
Bekannt und gefürchtet war die Karawanenstraße nicht nur wegen ihres gefährlichen Verlaufs entlang steiler Schluchten und über wilde Bergflüsse, sondern auch wegen regelmäßiger Raubüberfälle durch kaukasische Wegelagerer. Zeitweise patroullierten römische Legionen auf der Heerstraße und im 5. Jahrhundert wurde unter dem georgischen König Wachtang Gorgassali in der Darialschlucht eine Befestigungsanlage gebaut.
Im 11. Jahrhundert ließ der georgische König David der Erbauer dort die Darial Festung errichten und sorgte dadurch lange Zeit für Sicherheit. Als Georgien jedoch unter den ständigen Eroberungsfeldzügen durch die Mongolen, Perser und Osmanen, gezwungen war, seine Aufmerksamkeit auf seine Südgrenzen zu richten, wurde die Verbindung über den Kaukasus wieder unsicher und gefährlich für Händler und Reisende.
"Grusinische" Heerstraße
Ihre strategische Bedeutung erhielt die Heerstraße, als die russische Armee die 207 Kilometer lange Verbindungsstraße während des 5. Russischen Türkenkriegs (1768 bis 1774) für den Transport ihrer Truppen ausbaute und offiziell in "Grusinische Heerstraße" umbenannte (Grusinien/Grusija ist die russische Bezeichnung für Georgien).
Zum Schutz vor Wegelagerern wurden Wachposten eingerichtet und Kosaken angesiedelt. Bis 1900 befuhr eine sechs bis achtspännige Postkutsche die Heerstraße täglich in beide Richtungen.
Heute misst die Heerstraße eine Länge von 213 Kilometer und verläuft von Wladikawkas im russischen Nordossetien-Alanien durch das Terek (Tergi) Tal hinauf über die russisch georgische Grenze durch die Darialschlucht (Darielpass) und den Ort Stapanzminda (ehemals Kasbegi). Bei gutem Wetter erblickt man hier den legendären Berg Kasbek, an den der Sage nach Prometheus angeschmiedet wurde, zur Strafe, weil er den Göttern das Feuer geraubt hat.
Am Kreuzpass über dem Hauptkamm des Großen Kaukasus erreicht die Heerstraße eine Höhe von 2.385m.
Verbindung zu Russland
Die Heerstraße bildete bis Ende des 19. Jahrhunderts die wichtigste Verbindung zu Russland. Sie sorgte für einen regen kulturellen Austausch zwischen georgischen und russischen Künstlern und Wissenschaftlern. Viele Georgier studierten in St. Petersburg, sie bezeichneten sich als "Tergdaleuli" (die vom Wasser des Tergi tranken). Von Russland kamen bedeutende Dichter wie Tolstoj, Puschkin, Lermontov, Tschechow und Gorki über die Heerstraße nach Tbilisi und ließen sich vom südkaukasischen Zauber berauschen.
O südliche Berge, man braucht nur einmal dort gewesen zu sein, um sich ewig an euch zu erinnern!
Michail Lermontov, russischer Dichter und Offizier (1814-1841)
Auch europäische Reisende zogen die Heerstraße entlang und schrieben ihre Eindrücke nieder: Der französische Dichter Alexandre Dumas in "Gefährliche Reise durch den wilden Kaukasus", der norwegische Dichter Knut Hamsun in "Im Märchenland – Erlebtes und Erträumtes aus Kaukasien" (1903) und Ernst Haeckel in seinen "Reisebriefen".