Tuschetien - Land der wilden Freiheit

Von der Hauptstadt Tbilissi sind es nur einhundert Kilometer, aber gefühlt liegt dieses Tuschetien hinter den sieben Bergen und einigen mehr.

Bjorn Erik Sass, Bei den letzten Cowboys, Die Zeit 11/2010

Tuschetien (georg. თუშეთი, Tuscheti) liegt im östlichsten Teil Georgiens und grenzt an die georgischen Provinzen Kachetien und Chewsuretien. Im Osten von Tuschetien liegt das dagestanische Hochland, im Norden bilden die mächtigen Bergketten des Großen Kaukasus die natürliche Grenze zu Tschetschenien. Die Region umfasst zehn Dörfer, von denen Omalo das größte und Verwaltungszentrum ist.

Archäologische Ausgrabungen und Felszeichnungen zeugen von einer Jahrtausende alten Kultur. Die heutige Bevölkerung Tuschetiens besteht hauptsächlich aus Tuschen. In den 330er Jahren flüchteten sich einige Georgier vor der Zwangschristianisierung des König Mirian III. in die unbewohnten Bergregionen Tuschetiens.

Die Tuschen haben im Laufe ihrer Geschichte oftmals den georgischen Königen militärische Unterstützung geleistet. Als tollkühne Kämpfer waren sie in Georgien sehr geschätzt und wehrten zahlreiche feindliche Überfälle auf Georgien erfolgreich ab. Im 16. Jahrhundert schenkte König Lewan von Kachetien den Tuschen das Landstück Alwani als Dank für ihren Widerstand gegen die Perser.

Die Tuschen nahmen später ebenfalls das Christentum an, nicht zuletzt wegen ihrer wirtschaftlichen und kulturellen Verbindung zum übrigen Georgien, lebten ihren eigenen Glauben aber relativ unabhängig weiter. In ganz Tuschetien besteht nur eine einzige Kirche und an vielen Orten befinden sich kleine Heiligtümer in freier Natur, die sogenannten "Chati", an welchen noch immer in heidnischer Tradition den Naturgöttern Opfer dargebracht werden.

Wie in vielen kaukasischen Völkern hat sich auch in Tuschetien ein besonderes Rechtsleben entwickelt. Es heißt, dass es bei den Tuschen bereits im Mittelalter einen unabhängigen Rat aus zwölf Geschworenen gegeben hat, der im Falle einer Anklage zur Anhörung zusammenkam.

Die Tuschen

Die Tuschen sind bekannt für Ihre friedfertige Zurückhaltung, tiefsinnige, leidenschaftliche Gesänge und halsbrecherische Reiterspiele. Legendär sind ihre fantastischen Fahrkünste. Wer einmal die unbefestigten Straßen in die tuschetischen Berge gefolgt ist, weiß das zu schätzen.

Tuschetien war im Mittelalter dem georgischen König unterstellt und wurde nach dem Zusammenbruch des vereinten georgischen Königreichs im 15. Jahrhundert dem Königreich Kachetien eingegliedert. Bis heute gehört Tuschetien verwaltungstechnisch zur georgischen Region Kachetien.

Die Tuschen sind größtenteils Hirten und leben traditionell von den Erzeugnissen ihrer Schafszucht: Tuschetischer Käse und tuschetische Wolle waren bis weit über die Grenzen Georgiens hinaus als Qualitätsware bekannt und wurden nach Europa und in die Sowjetunion exportiert.

Die meisten tuschetischen Dörfer sind nur in den Sommermonaten von Ende Mai bis Anfang Oktober bewohnt, wenn die Schafhirten ihre Herden auf die Almwiesen treiben. Im Hochsommer kommen auch tuschetischstämmige Stadtbewohner aus der Hauptstadt Tbilisi in ihre Dörfer, um die traditionellen Festtage zu begehen und sich in der Abgeschiedenheit von Lärm und Hektik des Stadtlebens zu erholen.

Im Herbst ziehen die tuschetischen Hirten in tiefergelegene Dörfer nach Kachetien. Aber noch immer gibt es tuschetische Familien aus Omalo und Schenako, die den harten Winter in Tuschetien selbst verbringen.

Wohn- und Wehrtürme Tuschetiens

Charakteristisch für Tuschetien sind die traditionellen Wohnhäuser aus Schieferstein und die mächtigen Wehrtürme aus dem 12.-13. Jahrhundert. Es wurden verschiedene Türme errichtet: Beobachtungstürme, die dazu dienten, drohende Angriffe  in kürzester Zeit mittels Nachrichtenfeuer an die Bevölkerung Tuschetiens und ins georgische Innland zu melden,  und Wohntürme, die der Bevölkerung Zuflucht und Schutz boten.

Tuschetien auf einer Trekkingtour erleben: Trekking Tuschetien 7 Tage

×

Merkliste